Das strategische Warengruppenmanagement wird zurecht als die Königsdisziplin im Einkauf angesehen. Hier laufen viele strategische Einkaufsprozesse zusammen und ohne eine funktionsübergreifende Zusammenarbeit im Unternehmen geht es nicht. Lieferanten werden eingebunden, und die Category Manager brauchen jede Menge Soft Skills und Projektmanagementfähigkeiten.
Gemäss aktuellen Kennzahlen des BME (Bundesverband für Materialwirtschaft) sind rund dreiviertel des Produktionsmaterials mit mehr oder weniger konkreten Warengruppenstrategien hinterlegt. Bei den Dienstleistungen und Investitionsgütern sind es 50 bzw. 60% des Einkaufsvolumens. Wenn die Durchdringung so hoch ist, dann kann strategisches Warengruppenmanagement gar nicht schwer sein? Oder etwa doch?
Gleichzeitig sind sich alle Experten im Einkauf einig, dass die Erarbeitung und Umsetzung von Warengruppenstrategien die wesentliche Grundlage sind, um Kosten- und Qualitätsverbesserungen bei den eingekauften Materialien und Dienstleistungen zu erreichen.
Ein kleiner Leitfaden beschreibt das Vorgehen zur Erarbeitung von Warengruppenstrategien in fünf einfachen Schritten:
Schritt 1: Projektteam und Planung des Warengruppenmanagements
Zu Beginn der Arbeit steht die Planung und Zusammenstellung des Projektteams für die Aufgabe. Im Wesentlichen werden folgende Beteiligte mit den jeweiligen spezifischen Aufgaben gesucht: Projektleitung: Meist ein(e) strategische(r) Einkäufer(in) mit Potenzial in Bezug auf Führung und Projektmanagementaufgaben
Crossfunktionale Teammitglieder: Die Erarbeitung einer Warengruppenstrategie ist nicht Aufgabe des Einkaufs allein. Es gibt viele Fragestellungen zu bearbeiten, die den Input und das Wissen der Fachexperten erfordern. Hier gehören die besten Ihres Fachs ins Team.
Lenkungsausschuss: Entscheidungskreis aus den relevanten Führungskräften, die über die Warengruppenstrategie und deren Umsetzung entscheiden können. Neben der Einkaufsleitung bieten sich hier die verantwortlichen Personen an, in deren Bereich die Bedarfe hauptsächlich benötigt werden. Z.B. Leitung HR für Warengruppenstrategien Zeitarbeit und Weiterbildung. Die IT-Leitung, wenn es um Hardware oder Softwarelizenzen geht oder die Verantwortlichen für Forschung und Entwicklung im Falle von direktem Material. Darüber hinaus ist es zu empfehlen, dass ein Vertreter/in der Geschäftsleitung in das Projekt involviert wird.
Neben der Teilnahme an den Lenkungskreisen ist es mindestens genau so entscheidend, dass dieser Personenkreis auch ausserhalb dieser Meilensteine dem Team mit Rat und Tat zur Seite steht. Nur so kann das komplette Know-How in Bezug auf die jeweilige Warengruppenstrategie voll ausgenutzt werden. Eine Person aus dem Lenkungskreis sollte als Sponsor das Warengruppenteam führen und den Prozess eng begleiten.
Wenn das Projektteam steht kann die Projektplanung erfolgen. Die Erarbeitung einer Warengruppenstrategie ist nichts anderes als ein Projekt, dass im Abstand von 12 bis 24 Monaten durchlaufen werden sollte. Planen Sie ausreichend Zeit und Kapazitäten für das Warengruppenmanagement ein. Je nach Komplexität der Warengruppen sollten dies vier bis sechs Monate bis zur Verabschiedung der Strategie sein.
Schritt 2: Transparenz
Zum Start des Warengruppenmanagementprojektes gilt es die Transparenz über die Ausgaben herzustellen. Dabei helfen die fünf Ws. Wer kauft was bei wem, wieviel und zu welchem Preis. Dabei steht wer für den Bedarfsträger, was für die Spezifikation und wem für den Lieferanten. Idealerweise sind die meisten Informationen dazu im ERP System vorhanden und können mehr oder weniger auf Knopfdruck ausgewertet und aufbereitet werden.
Neben dem Blick zurück auf die vergangenen Geschäftsjahre ist es ratsam einen Blick nach vorne zu werfen. Wie entwickeln sich die Volumina? Welche Veränderungen gibt es in der Geschäftsplanung? Werden Produkte auslaufen oder neue Produkte hinzukommen?
Idealerweise lassen sich diese Daten noch um die Lieferantenbewertungsergebnisse ergänzen und die bestehenden Warengruppenstrategien und Massnahmen stehen ebenfalls zur Verfügung.
Schritt 3: Optimierungshebel und Strategiebausteine für die Warengruppenstrategie
Jetzt geht es ans Eingemachte. Zur Erarbeitung der möglichen Optimierungshebel und Massnahmen bietet es sich an mit einem gemeinsamen Workshop zu starten. In diesem Workshop, der crossfunktional besetzt ist, kommen alle Ideen auf den Tisch, werden diskutiert, bewertet und priorisiert. So wird ein Raum möglicher Lösungsansätze erarbeitet, von denen die priorisierten Themen ausgearbeitet und weiterverfolgt werden.
Weil alle relevanten Funktionen an diesem Prozess beteiligt werden, können auch Ansatzpunkte für die Warengruppenstrategie gefunden werden, die ausserhalb der direkten Sphären des Einkaufs liegen. Im Wesentlichen lassen sich die möglichen Hebel, der Übersicht halber, in fünf unterschiedliche Bereiche, hier dargestellt mit ausgewählten Hebeln, einteilen (vgl. Darstellung).
Neben der Erarbeitung von Massnahmen, kommen in dieser Phase ausgewählte Analysen zum Einsatz. Hierbei ist es nicht entscheidend alle zur Verfügung stehenden Analysen durchgeführt zu haben. Wichtig ist die richtigen zwei, drei Werkzeuge aus der Werkzeugkiste zu nehmen und zu nutzen. Je nach Warengruppe können diese unterschiedlich sein. Grundsätzlich interessante Tools sind:
- LPP-Analyse (Linear Performance Pricing)
- Porter 5 Forces
- Kostenstrukturanalysen
- Design to Cost-Analyse/ Wertanalyse
Raster, wie z.B. das Schachbrett von AT Kearney, bieten noch weitere Ansatzpunkte für Analysen, die im Bedarfsfall die Ausarbeitung der Warengruppenstrategie unterstützen können.
Schritt 4: Beschaffungsmarktanalyse und Ausschreibung
Ohne Ausschreibung geht es in den seltensten Fällen. Die Überprüfung der Konditionen am Beschaffungsmarkt ist ein wesentlicher Bestandteil des Warengruppenmanagements. Gerade für Warengruppen, in denen es viele, qualifizierte Lieferanten gibt, ist die Schaffung von Wettbewerb noch immer einer der wirksamsten Hebel. Gute Beispiele hierfür sind klassisch industrielle Warengruppen wie Drehteile oder Kunststoffspritzgussteile. Bei den indirekten Warengruppen eignen sich Themen wie Unterhaltsreinigung, Transporte oder Zeitarbeit sehr gut für eine Ausschreibung.
In monopolistischen oder oligopolistischen Märkten eignet sich dieser Hebel möglicherweise nicht so besonders.
Im Rahmen der (globalen) Marktanalyse lassen sich idealerweise neue, interessante Lieferanten identifizieren und zumindest vorqualifizieren. Je nach Warengruppe und regionalem Fokus der Recherche kann es auch sinnvoll sein, Dienstleister damit zu beauftragen. Dadurch kommt man meist schneller und günstiger ans Ziel.
Die Ausschreibung selbst durchzuführen ist kein Hexenwerk – gute e-Procurement Tools können den Prozess inkl. NDA und RFI wirkungsvoll unterstützen. So können Sie auch grössere Mengen an Lieferanten effizient am Ausschreibungsprozess teilhaben lassen. Eine wesentliche Rahmenbedingung für die Ausschreibung ist grds. das gesamte Beschaffungsvolumen in den Wettbewerb zu stellen und nicht nur kleine Teile davon.
Schritt 5: Umsetzung der Ergebnisse
Last but not least geht es in die Umsetzung und damit die Sicherstellung der Ergebnisse. Am Ende des Prozesses liegen alle Erkenntnisse auf dem Tisch. Transparenz über den aktuellen Stand und zukünftige Entwicklungen ist vorhanden. Die Optimierungshebel wurden bewertet und ausgearbeitet und alle zielführenden Analysen und Methoden angewandt. Die abschliessende Ausschreibung und Verhandlung zeigt das aktuelle Preisniveau und mögliche Einsparungen auf – der Entwurf der Vergabestrategie liegt vor.
Nun können die Freigabe und finale Umsetzung der Massnahmen erfolgen. Möglicherweise gilt es neue Lieferanten zu qualifizieren und auditieren, Optimierungsmassnahmen mit den bestehenden Partnern umzusetzen oder auch interne Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Die Ergebnisse und Massnahmen innerhalb des Warengruppenmanagements können sehr vielfältig sein und gehen weit über das einkäuferische Standardgeschäft hinaus. Aber gerade diese Tatsache macht das strategische Warengruppenmanagement so interessant für die beteiligten Personen und liefert gleichzeitig grundlegenden Input für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.
Die Umsetzung der Massnahmen aus der Warengruppenstrategie wird den Category Manager und seine Mitstreiter aus den anderen Unternehmensfunktionen im Regelfall mehrere Monate beschäftigen. Aber der zu erwartende Mehrwert der Warengruppenstrategie rechtfertigt den Aufwand.